Zum Hauptinhalt springen

Clearingstelle für Kinder- und Jugendhilfe, München

In der Prop-Jugendhilfeeinrichtung arbeitet ein Frauen-Power-Team mit Familien und aus verschiedenen Ländern und mit vielseitigen Problemen. „Es macht mich stolz, dass wir Menschen betreuen können, die anderswo durch das Netz fallen und keine Hilfe erhalten würden“, meint Mitarbeiterin Anne Wallmeier. Erfahren Sie, was sie und ihre Kolleginnen sonst noch denken.

Clearingstelle München – praktische und tatkräftige Familienhilfe

Acht Frauen, acht verschiedene Perspektiven für ihre Arbeit und ihre Motivation als Psychologinnen, Therapeutinnen und Ärztin bzw. Kinder- und Jugendpsychiaterin, machen dieses Interview besonders abwechslungsreich. Auch wenn sich bei den Wünschen dann wieder alle einig sind …

Interview

Wer seid Ihr?
Wir sind ein Team aus Psychologinnen, Therapeutinnen und einer Ärztin (Kinder- und Jugendpsychiaterin), die in der Clearingstelle für Kinder- und Jugendhilfe bei Prop arbeiten, der einzigen Jugendhilfeeinrichtung unseres Trägers.

Welche Menschen kommen zu Euch?
Familien mit Kindern, darunter viele Schulkinder, aber auch Kleinkinder und Jugendliche, die aus verschiedenen Gründen und aus vielen verschiedenen Ländern kommen, neben Deutschland z. B. auch aus Afrika, Vietnam, Polen oder der Türkei. Manche sprechen kein Deutsch, so dass wir Dolmetscher einsetzen. In jedem Fall werden die Familien durch das Jugendamt (die Bezirkssozialarbeit) zu uns geschickt. Die Kinder fallen oft durch schwieriges oder ungewöhnliches Verhalten auf und kommen in Kindergarten und Schule nicht ausreichend zurecht. Dann versuchen wir, die Hintergründe herauszufinden. Sehr oft stecken Entwicklungsprobleme dahinter, aber die Eltern kommen auch, damit ihre Erziehungsschwierigkeiten (und -stärken) beurteilt werden und eine geeignete Unterstützung gefunden werden kann. Manche Kinder sind durch eine Gefährdungsmeldung aufgefallen und das zuständige Jugendamt möchte dann diese fragliche Gefährdung genauer eingegrenzt haben und auch Optionen bekommen, wie sie abzuwenden ist.

Gibt es etwas, was Euch an Eurer Arbeit begeistert?

Bettina Glöggler: Mir gefällt die Vielfältigkeit der Familien. Es gibt viele Kulturen, verschiedene Lebensmodelle und es gilt, in meiner Arbeit immer auch deren Individualität zu berücksichtigen. Ich mag auch den Mix an Interaktion mit Familien und Schreibarbeiten, wenn ich die Beobachtungen im Bericht dokumentiere.

Annette Gaidetzka: Ich mag, dass man mit vielen verschiedenen Personen und Institutionen vernetzt ist und über die Kontakte zu den Therapeut*innen, Schulen, Fördereinrichtungen, Jugendamtskollegen etc. hilfreiche und in kurzer Zeit tiefere Einblicke in die Familien gewinnt. Trotz Zwangskontext gelingt dennoch eine Kooperation. Ein großes Plus, fast schon ein Alleinstellungsmerkmal ist, dass bei uns eine Kinder- und Jugendpsychiaterin mitwirkt, die Auffälligkeiten der Kinder größtenteils „klären“ kann. Zudem unterstützt uns ein Erwachsenenpsychiater von Prop durch regelmäßige Intervision bei der Einschätzung der Probleme der Eltern. Somit sind wir fachlich sehr gut aufgestellt.

Jessica Bobrich: Mir gefällt, dass man etwas bewirken und den Familien helfen kann. Wir sind außerdem nahe dran an den Familien und der Entwicklung der Kinder, z. B. machen wir auch Hausbesuche. Gut finde ich auch, dass wir Supervision haben, uns als Team regelmäßig sehen und miteinander in gutem kollegialem Austausch sind.

Claudia Eger: Die Arbeit mit den Familien hat meinen Horizont erweitert. Durch die vielschichtigen Probleme, die verschiedenen Systeme und Wohnbedingungen sehe ich Aspekte, die ich vorher nicht gekannt habe. Die Familien bieten alle Facetten und es ist immer wieder auch erschütternd, was diese Familien aushalten müssen.

Anne Wallmeier: Mir gefällt es, mit Familien über guten Kontakt etwas zu bewirken. Wenn die Beziehung gelingt, und das sehe ich als wichtigen Bestandteil im Clearing, kann man einen „Anker“ setzen und zusammen etwas erreichen. Es macht mich auch stolz, dass wir so Menschen betreuen können, die anderswo durch das Netz fallen und keine Hilfe erhalten würden. Ich finde wichtig, dass wir den nötigen langen Atem aufbringen, um Menschen, die mehr Geduld oder Motivation brauchen, doch noch in eine funktionierende Kooperation zu bringen. Zudem haben die Kolleginnen immer ein offenes Ohr und es ist fast immer ein Austausch möglich, wenn man den nötig hat.

Claudia Wellhöner: Mir gefällt der Austausch mit den Kolleginnen der Clearingstelle und dass bei Kindern, die sonst kaum den Weg in die Heckscher-Klinik gefunden hätten, immer wieder kinder- und jugendpsychiatrische Probleme erkannt werden, die erfolgreich behandelt werden können und damit zur Erleichterung der Lebenssituation der Kinder beitragen.

Monika Rinke: Mir gefällt, dass ich meine eigentliche Arbeit in der Verwaltung verbinden kann mit Kontakten zu vielen Menschen. Die Arbeit miteinander im Team und die gegenseitige Unterstützung sind ein großer Pluspunkt.

Was wünscht Ihr Euch für die Zukunft im Jugendhilfebereich?
Wir wünschen uns natürlich die Umsetzung unserer Empfehlungen, dafür braucht es in den zuständigen Jugend-Ämtern und freien Trägern jedoch eine bessere Ausstattung, personell und finanziell. Wichtig wäre, die Arbeitsbedingungen dort so zu gestalten, dass die teils drastische Fluktuation reduziert werden kann und die Familien über längere Zeit begleitet werden können. Es würde die Qualität der Hilfe sicherlich verbessern.

Wir wünschen uns auch, dass die Hilfen rascher geleistet werden und dass die Kinder viel früher zum Clearing kommen. Dazu braucht es sicherlich Möglichkeit zur Qualifikation der Kontaktpersonen, die die Kinder im frühen Alter betreuen. Wir sehen immer wieder, dass schwerwiegende Entwicklungsprobleme nicht rechtzeitig erkannt und behandelt werden und die Kinder dadurch einen oft sehr schwierigen Entwicklungsverlauf nehmen. Es wäre generell zu wünschen, dass wichtige Schlüsselfiguren auf dem Weg der Kinder so geschult sind, dass sie Hilfe- oder Abklärungsbedarf einer Familie rasch erkennen und in die Wege leiten können. Bisher kann oft erst reagiert werden, wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist! Generell braucht es mehr Möglichkeit, auch auf die Entfaltung der kindlichen Persönlichkeit zu schauen und nicht nur, ob sie z. B. leistungsmäßig funktionieren.

Ein besonderer Wunsch wäre auch, dass z. B. mobile Familientherapie-Teams in den Maßnahmenkatalog aufgenommen werden können. Der systemischen Arbeit mit Familien wird derzeit noch wenig Rechnung getragen, bzw. ist der Schulungsgrad unter den AEH-Kräften, die in die Familien gehen und wichtige Hilfe leisten, in diesem Punkt noch zu gering.